Unterschreiben
News

Hochwasser und industrielle Forstwirtschaft

Hochwasser und industrielle Forstwirtschaft

In Wetter-Oberndorf kam es am Donnerstagnachmittag zu einer plötzlich auftretenden Schlammwasserflut. Dies jedoch nicht in der als Überschwemmungsgebiet bekannten, tiefer und nördlich der Ortschaft gelegenen Treisbachaue. Vielmehr ergoss sich eine Schlammwasserlawine vom Wollenberg aus über eine Wiese und eine Nebenstraße bis über die Hauptstraße selbst. Auslöser war ein Starkregen, der die Hauptstraße innerhalb weniger Minuten in einen reißenden Fluss verwandelte und mehrere Keller und Stallungen volllaufen ließ (hier Berichte aus dem Hinterländer Anzeiger und von hessenschau.de).

Zwar entwässert der Wollenberg naturräumlich im Nordosten auch über zwei Kleinstbäche via Oberndorf in den nahen Treisbach, doch normalerweise nicht in dieser Menge und Plötzlichkeit. Bei der Ursachenforschung sollten daher auch die Auswirkungen der industriellen Forstwirtschaft in Betracht gezogen werden. Niederschläge im Wald fließen infolge von auf Schwerlastverkehre zugeschnittene Bewirtschaftungsmethoden immer öfter einfach als Oberflächenwasser ab, anstatt durch natürliches Versickern in Form der Speicherfunktion des Waldbodens gebunden zu werden. Dafür bestehen zwei, bei länger anhaltenden Regenperioden und Starkregen kumulativ sich verstärkende Gründe.

Bereits mit der (im Wollenberg schon einige Jahrzehnte zurückliegenden) Schotterbefestigung vieler Waldwege wurden diese bergseitig mit offenen Gräben versehen. Diese sind in mehr oder minder regelmäßigen Abständen durchbrochen von zur Hangseite hin quer geführten kurzen Abflussrohren, so dass das bergseitig sich sammelnde Wasser zumindest hangseitig nicht kanalisiert wird und entsprechende Hangwassersäulen nur gelegentlich entstehen. Dieses System wird seit einigen Jahren durch über unbefestigte Rückewege zusätzlich oder kumulativ abfließendes Regen- oder Oberflächenwasser offenbar konterkariert.

Rückewege bilden die Voraussetzung für den Einsatz von Vollerntern (Harvester) und Tragschleppern (Forwarder). Sie sind, gerodet meist in Abständen von 20-30 m, immer senkrecht zum Hang anzulegen oder – hier auf der Website von Wald-Prinz.de beschrieben – so „wie das Wasser läuft“. Der Grund dafür ist: Beim Befahren mit Ernte- und Rückemaschinen darf eine Querneigung von 5 % nicht überschritten werden. Bei einer im Schnitt 4 m breiten Rückegasse sind das also gerade einmal 20 cm Höhenunterschied, andernfalls besteht Kippgefahr für die Fahrzeuge. Zugleich verursachen diese bei hohem Eigen- und noch höherem Lastgewicht durch große Ballonreifen und zum Teil Ketten – siehe auch hier – oft tiefe Fahrspuren, die bei Starkregen zu Bodenerosion führen und schnell ablaufende Wasserrinnen entstehen lassen. Da im Bergwald die Forstwege vorwiegend parallel zum Hang verlaufen, werden diese nun vielfach durch unbefestigte Rückewege senkrecht dazu ergänzt. Entsprechend kann Niederschlagswasser schneller als zuvor abfließen.

Bild oben:
Natürlicher Vorfluter nur wenige Hundert Meter oberhalb von Oberndorf am Tag nach der Schlammwasserflut. Quelle: bi-wollenberg.org, CC BY-SA 3.0