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Rechtsauslegung: Spankas Appell und Apells Bericht

Rechtsauslegung: Spankas Appell und Apells Bericht

Wetters Bürgermeister Kai-Uwe Spanka hat einen „Brandbrief“ an die Hessische Umweltministerin Priska Hinz geschrieben. Das berichtet die Oberhessische Presse in einem Artikel „Zwischen Windmühlen und allen Stühlen“. Darin wird er – teils paraphrasierend, teils zitierend – mit den Worten wiedergegeben: „Vermehrt würden aus dem Ministerium sehr negative Entscheidungen gefällt beziehungsweise Handlungsvorgaben an untergeordnete Behörden erlassen (etwa das RP Gießen). Er erkenne darin »eine Strategie, die Realisierung von vielen potenziellen Windkraftstandorten im Land Hessen massiv zu behindern oder gänzlich zu verhindern« – zum Beispiel durch überzogene Anforderungen an Prüfverfahren, unverhältnismäßig scharfe Interpretation von Gesetzen und Verordnungen und Diskreditierung von Gutachtern.“

Von einer unverhältnismäßigen Interpretation zum unterstellten Gegenstand kann angesichts zahlreicher einschlägiger Urteile des Europäischen Gerichtshofs – Hinweise dazu finden sich hier unter der Zwischenüberschrift „Weitere Informationen“ – allerdings kaum die Rede sein. Sprich: Spankas Appell an die Ministerin besagt unausgesprochen, sie möge zur Genehmigung eines Windparks im Wollenberg zwingende europarechtliche Vorgaben des Natur- und Artenschutzes sowie die dazu erforderlichen Prüfverfahren hinten runter fallenlassen. Geltendes Recht würde in der Konsequenz dem Planungsvorhaben untergeordnet und einem Voluntarismus des Vorhabenbetreibers unterworfen.

Anlass der rüden Attacke auf das Ministerium ist, dass die Genehmigungsfähigkeit des Windparks Anfang Februar in Abrede gestellt wurde und das RP Gießen umfangreiche Nachuntersuchungen in Hinsicht auf den FFH-Status des Gebiets sowie zu den dort besonders streng geschützten Fledermausarten forderte. Doch ist Spanka eher Täter, denn Opfer der Verhältnisse. Bislang hat er das Vorhaben der Stadtwerke Marburg uneingeschränkt unterstützt und dazu bereits im Mai 2013 eine wunderliche Rechtsauffassung an den Tag gelegt. In Beantwortung einer Großen Anfrage erklärte er, dass die Bestände der im Wollenberg vorkommenden Mopsfledermaus, des Großens Mausohrs und der Bechsteinfledermaus „nach Anhang II artenschutzrechtlich relevant sind, aber im Hinblick auf NATURA 2000-Gebiete diese Relevanz wieder verlieren.“

NATURA 2000 ist der Fachterminus für nach der europäischen FFH-Richtlinie besonders geschützte Gebiete und in Anhang II werden jene Tier- und Pflanzenarten bezeichnet, deren Habitate nach dieser zu schützen sind. Entsprechend formuliert sind die Erhaltungsziele für die genannten Fledermausarten im FFH-Gebiet, dem der Wollenberg zugehört. In Spankas Antwort waren demnach bereits Elemente dessen enthalten, was durchaus als Ermöglichungsplanung benannt werden kann und in Form der von den Stadtwerken Marburg eingereichten Gutachten zur FFH-Verträglichkeit vom RP Gießen jüngst zurückgewiesen wurde.

Auch steht Wetters Bürgermeister in seiner einlinigen Rechtsauslegung nicht allein. Lahntals Bürgermeister Manfred Apell erklärte nach Bekanntwerden der – vorläufigen – abschlägigen Stellungnahme durch das RP Gießen in einem Bericht an die Gemeindevertretung Lahntals, „dass insbesondere das Hessische Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz die bisherige, einvernehmliche Auslegung der Gesetzgebung geändert hat.“ Gerade so, als sei das Ministerium nicht an geltende Gesetze gebunden und erfolge deren Auslegung vor Ort auf der politischen Ebene – etwa durch zwei Bürgermeister, ein (kommunales) Stadtwerk und eine (politisch besetzte) Regionalversammlung Mittelhessen.

In Spankas Appell und Apells Bericht kommen demnach Momente eines verselbständigten Rechtsstaat zum Ausdruck. Auch hierin bedarf es der Umkehr.

 

Bild:
Schild im Wollenberg. Quelle: bi-wollenberg.org,  CC BY-SA 3.0