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Klimaschutz und Forstwirtschaft – Eine Fehlanzeige

Klimaschutz und Forstwirtschaft – Eine Fehlanzeige

Die Bilder der Unwetterfolgen im Ahrtal sind allen noch präsent. Mitte Juli hatten dort ein durch den Klimawandel in Wahrscheinlichkeit und Intensität erhöhtes Starkregenereignis verbunden mit regionalen topographischen Spezifika sowie der Versiegelung von Böden im Einzugsgebiet der Ahr zur Flutkatastrophe geführt. Zeit eigentlich, alle wirtschaftlichen und umweltbezogenen Aktivitäten in Hinsicht auf die Folgen des Klimawandels kritisch zu betrachten – insbesondere dann, wenn eine gewisse Gemeinwohlverpflichtung im Rahmen der Wirtschaftstätigkeit vorgesehen ist. Nicht so beim Landesbetrieb Hessen-Forst, wie aktuelle Bilder aus der Bewirtschaftungspraxis im Bereich Wollenberg zeigen.

Dort – wir berichteten erstmals im September 2019 – wird nun schon im dritten Sommer in Folge großflächiger Schirmschlag zur Bewältigung von Kalamitätsbefall (Borkenkäfer) betrieben. Auf welche Größenordnung die gerodeten Kahlschlagsflächen sich insgesamt summieren, ist nicht bekannt. Doch dürften inzwischen 30 ha erreicht, wenn nicht gar überschritten sein. Zugleich ist die Schutzwirkung vor Borkenkäferbefall durch großflächigen Holzeinschlag begrenzt, da – wie hier beschrieben – die Entrindungsköpfe der Harvester meist nur 80 Prozent der Käferpopulation abtöten und weitere Maßnahmen zur Verhinderung eines Neubefalls (bspw. durch das Entfernen oder Unschädlichmachen von im Wald liegendem bruttauglichen Material oder die Beseitigung von Kronenteilen und sonstigen Resthölzern) zeit-, arbeits- und kostenaufwändig sind.

Mithin treten die klimatischen Folgekosten der Borkenkäferbekämpfung durch Holzeinschlag hervor. Kahlschläge bewirken, dass der Boden austrocknet, sich aufheizt und nachfolgende Bestockung schlechter wächst. Nicht nur wird das Bestandsklima geschwächt, sondern auch die Wasserrückhaltefähigkeit des Waldbodens geschädigt. Großflächige Schirmschläge beeinflussen die Speicherfunktion des Waldbodens negativ. Der Wald insbesondere in Hangexposition verliert seine natürliche hydrologische Rückhaltefunktion. Diese Negativentwicklung in Form verminderter Pufferung von Niederschlagswasser hatten wir im Juni 2016 aus Anlass einer Schlammwasserflut in Wetter-Oberndorf anhand standortschädigender Erntemethoden mit schweren Maschinen näher beleuchtet.

Die erhöhte Sonneneinstrahlung auf den gerodeten Schadflächen jetzt verstärkt diesen Effekt und schädigt den Beitrag des Waldes zum Hochwasserschutz ebenso wie seine Grundfunktion als natürliche Klimaanlage. Im Unterschied dazu hätte das Unterlassen der Flächenräumungen im Schadholz zur positiven Folge, dass Feuchtigkeit in den Kalamitätsbeständen gespeichert würde und zur Humus-Neubildung beitragen könnte. Doch müsste dazu der betriebswirtschaftliche Grundsatz in der Bewirtschaftung des Staatswaldes deutlich zu Lasten des Natur-, Arten- und Klimaschutzes zurückgefahren werden.

Bild oben:
Großflächiger Schirmschlag am Nordwesthang des Wollenbergs Mitte August 2021
Quelle: bi-wollenberg.org, CC BY-SA 3.0