Unterschreiben
News

Hessen-Forst planiert Wege im Wollenberg

Hessen-Forst planiert Wege im Wollenberg

In der Woche zwischen 30. Juni und 5. Juli wurden ausgewählte Waldwege im Wollenberg mit einem Grader (Planierer), wie er auch im Straßenbau zum Einsatz kommt, bearbeitet. Betroffen sind insbesondere Kurhessenweg und Fischerweg sowie weitere Wege. Im Falle Kurhessenweg wurden zusätzlich Bäume ausschließlich am Wegesrand gefällt. Die Arbeiten erfolgten durch oder im Auftrag von Hessen-Forst. Die betroffenen Wege sind als Zuwegungen zu den Standorten der Windkraftanlagen (WKA) vorgesehen oder können als Transport- und Lagerinfrastruktur für die Errichtung des von den Stadtwerken Marburg geplanten „Windpark Wollenberg“ genutzt werden.

Offiziös heißt es von Seiten Hessen-Forst, die Arbeiten dienten der Befestigung der Waldwege. Um Vorarbeiten für die spätere Wege-Infrastruktur, die für Tragfähigkeiten für Schwertransporter von bis zu 150 t Gesamtgewicht auszubauen ist, handele es sich nicht. Ähnliches gelte im Falle der Fällarbeiten. Hier handele es sich um normales Ausdünnen. Sollte tatsächlich kein Bezug zur Errichtung einer späteren Wege-Infrastruktur bestehen, kann dennoch ein Zusammenhang zu den Windparkplanungen nicht ausgeschlossen werden. Er ergäbe sich, wie im folgenden dargelegt wird, aus den arten- und naturschutzfachlichen Folgewirkungen des Ebnens der Deckschicht an Wegen und Wegeränderrn.

Bild: Fischerweg vorher/nachher. Quelle: bi-wollenberg.org, CC BY-SA 3.0

Nach dem Einsatz des Planierers sind die Waldwege teils doppelt so breit als vorher. Zudem wurden Vegetationsbestand abgetragen und Säume zerstört. Wird der Erlass zum forstlichen Wegebau und Naturschutz (pdf) des Hessischen Umweltministeriums aus dem Jahr 2012 als Beurteilungskriterium herangezogen, kann – in Bezug auf die erhebliche Veränderung des Wegequerschnitts, Lage innerhalb eines Natura 2000-Gebiets sowie Vorkommen und Habitate von nach der FFH-Richtlinie streng geschützten Arten – nicht von einem genehmigungsfreien Ausbau oder einer genehmigungsfreien Instandhaltung bestehender Waldwege ausgegangen werden. Ob eine Genehmigung eingeholt wurde, ist aber bislang noch unklar.

Zugleich zeigt ein Blick auf die Kartierungen der vorangegangenen gutachterlichen Untersuchungen im Bereich Wollenberg des FFH-Gebiets „Lahnhänge zwischen Biedenkopf und Marburg“, dass insbesondere solche Waldwege planiert oder geebnet wurden, die zum Nachweis von Fledermauspopulationen in Transekten genutzt wurden. Transekt-Kartierungen erfolgen entlang einer linearen Reihe von Mess- oder Beobachtungspunkten, wie sie etwa durch Wege vorgegeben sind. Sie bilden eine Alternative zu aufwändigeren Raster-Kartierungen. Waldwege sind für Fledermäuse zudem ein gern genutztes Verbundsystem im Lebensraum Wald, so dass dort ohne größere Schwierigkeiten immer auch Artnachweise geführt werden können.

In der vom Bundesamt für Naturschutz herausgegebenen Broschüre „Fledermäuse im Wald. Informationen und Empfehlungen für den Waldbewirtschafter“ (pdf) heißt es entsprechend: „Waldwege werden gelegentlich als Verbundelement zwischen zwei Jagdgebieten genutzt. An ihnen können blüten- und damit insektenreiche Waldinnensäume entstehen. Gleichzeitig bieten sie auch offenen Boden für die Suche nach Laufkäfern.“ Und speziell auf die Mopsfledermaus bezogen: „In relativ schnellem Flug nutzt die Mopsfledermaus auch Waldwege als Verbindungselement zwischen zwei Jagdgebieten.“

Insbesondere das Vorkommen der Mopsfledermaus aber hatte die Stadtwerke Marburg im Genehmigungsverfahren zu Nachuntersuchungen gezwungen. Für sie wird eine Tabuzone mit einem Radius von 5 km um die Wochenstubenkolonien der Art gefordert, so dass 4 von 6 WKA-Standorten im Wollenberg gegenwärtig nicht möglich wären. Die Nachuntersuchungen begannen im April des Jahres. Bislang seien bei diesen noch keine größeren Fledermauspopulationen nachgewiesen worden, lautete die Auskunft des Regierungspräsidiums (RP) Gießen Anfang Juli an die BI „Rettet den Wollenberg“. Das, so hieß es weiter, könne aber durchaus auch an den Witterungsbedingungen liegen, und die Untersuchungen würden noch bis Ende September fortgeführt.

Werden auch im Zeitraum Juli bis einschließlich September keine oder kaum Populationen nachgewiesen, wäre das für die Stadtwerke Marburg von enormem Vorteil. Obgleich sowohl für die Grunddatenerhebung zum FFH-Gebiet (2003/2004 und 2009) als auch für die FFH-Verträglichkeitsprüfung zum Planungsverfahren des Neubaus der Bundesstraße 252 (2010) entsprechende Vorkommen im Wollenberg nachgewiesen wurden, könnte dann möglicherweise eine Genehmigung des Projekts erfolgen.

Wird die Mopsfledermaus in Folge der Arbeiten also von den Wegen vergrämt, wäre das zum Nutzen des Projektbetreibers. Dann allerdings stellte sich die Frage nach einer aktiven Einflussnahme in die laufenden Nachuntersuchungen sowie von weiteren arten- und naturschutzrechtlichen Konsequenzen. Schließlich ist die „Erhaltung strukturreicher Waldränder und Waldinnensäume“ im Falle der Mopsfledermaus ausdrückliches Erhaltungsziel des FFH-Gebiets „Lahnhänge zwischen Biedenkopf und Marburg“.

Ferner wurden im oben genannten Zeitraum mehrere Waldwiesen in unmittelbarer Nähe der vorgesehenen WKA-Standorte 2, 3 und 4 gemäht. Mitglieder des Nabu Lahntals berichten zudem, dass die Waldwiesen bereits im Frühjahr des Jahres erstmals gemäht wurden. Damals seien während der Vegetations- und Brutperiode auch Seitenränder und Waldinnensäume großflächig mit Mulch bedeckt worden. Auch hier stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets.

Bild: Gemähte Waldwiese im Wollenberg nahe WKA-Standort 4. Quelle: bi-wollenberg.org, CC BY-SA 3.0

Die BI hat aus diesen Gründen vier Fragen an die beim RP Gießen angesiedelte Obere Naturschutzbehörde (ONB) gerichtet:

  1. Hat dem RP Gießen ein Antrag auf Genehmigung der genannten Arbeiten vorgelegen und wurde dieser gewährt?
  2. Hält das RP Gießen die genannten Arbeiten für genehmigungsfrei? Wenn ja, wie verträgt sich das mit dem Schutzgegenstand des FFH-Gebiets?
  3. Können negative Auswirkungen auf die laufenden Nachuntersuchungen zu den Fledermauspopulationen durch die genannten Arbeiten ausgeschlossen werden? Wenn ja, wie begründet Ihr Haus das?
  4. Welche Funktion hat die Mahd der Waldwiesen? Wie stehen diese in Vereinbarkeit mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets? Wurden diese genehmigt?

Die Antworten stehen noch aus.

Bild oben:
Kurhessenweg nach Fällarbeiten und Planierung. Quelle: bi-wollenberg.org, CC BY-SA 3.0