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Mopsfledermaus: Populationsgröße ist derzeit ungewiss

Mopsfledermaus: Populationsgröße ist derzeit ungewiss

Die Wochenstubenkolonie der Mopsfledermaus in Elmshausen gilt bundesweit als eine der größten und bildet die bedeutendste in Hessen. Knapp außerhalb des FFH-Gebietes in einem historischen Gutshaus gelegen, ist das Quartier maßgebend für das Vorkommen der stark gefährdeten Art (Erhaltungszustand: ungünstig) innerhalb des Schutzgebietes „Lahnhänge zwischen Biedenkopf und Marburg“. Entsprechend kommt der Überwachung und dem Erhalt des Quartiers eine besondere Gewichtung zu.

Jüngere Zahlen zur Bestandsentwicklung der Kolonie liegen allerdings nur beiläufig vor. Anlassbildend für diese erwies sich ein äußerer Umstand: Das markante Gutsgebäude war dringend sanierungsbedürftig. Insbesondere die stark beschädigten, eine Vielzahl an Quartiermöglichkeiten bietenden Naturschieferfassaden bedurften der sukzessiven Erneuerung. Im Fortgang der Instandsetzungsarbeiten galt es daher, Quartierspalten zu erhalten oder neu zu schaffen. Zugleich wurden die Arbeiten durch ein sanierungsbegleitendes Monitoring, beauftragt von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Marburg-Biedenkopf, flankiert.

Letzteres erfolgte durch das Marburger ökologische Planungsbüro Simon & Widdig. In Form von Ausflugszählungen am Quartiergebäude wurde die Anzahl der abendlich das Quartier verlassenden Mopsfledermäuse in den Jahren 2017 bis 2023 mehrfach erfasst. Differenziert nach Monat und Jahr ergaben sich folgende Zahlen an ausfliegenden Tieren, wobei methodisch bedingt nicht immer (wie im Juni 2017) allein geschlechtsreife (adulte) Weibchen registriert werden konnten, sondern gelegentlich (wie im August 2017) auch Jungtiere mitgezählt wurden:

Tabelle: Ausfliegende Tiere nach Monat und Jahr.

Nach diesen Erfassungsdaten war die Populationsgröße im Juni 2017 (45 adulte Weibchen) in etwa so groß, wie anlässlich von Ausflugszählungen zehn Jahre zuvor im Juli 2007 (46 adulte Weibchen) registriert. Ähnlich hoch wie bei Ausweisung des FFH-Gebiets sahen die Zahlen auch im Jahr 2019 aus. In 2018 und 2020 hingegen waren geringere Koloniegrößen zu verzeichnen, doch fielen diese nicht unter den für die Mopsfledermaus vor Ort festgelegten Schwellenwert von 33 Weibchen. Erst in den Jahren 2021 bis 2023 kam es zu einer signifikanten Verringerung der Population. Diese fiel nun auf etwa die Hälfte des Schwellenwerts, ab dem der Erhaltungszustand der Art intensiv zu überprüfen ist, mit nach 2022 weiter abnehmender Tendenz.

Die Biologen des Planungsbüros erklären die rückläufigen Zahlen plausibel als unbeeinflusst von den am historischen Fachwerkgebäude durchgeführten Sanierungsmaßnahmen. Tatsächlich wurde die sukzessive Erneuerung der beiden schieferbedeckten Fassadenseiten zum Ende des Winters 2016/17 abgeschlossen und waren danach bis 2019/20 in Ausflugszahlen positive Ergebnisse zu verzeichnen. Die Negativentwicklung setzte deutlich erst nach 2020 ein. Sie kann demnach nicht in einem Zusammenhang zur Gebäudesanierung stehen. Vielmehr, so heißt es die Untersuchungen zusammenfassend, müsse ein Kontext zur klimawandelbedingten Dürre- und Borkenkäferkalamität gezogen werden.

Teile der Kolonie, lautet die Annahme der Biologen, hätten mit fortschreitendem Schädlingsbefall Quartiere im Wald aufgesucht. Absterbende Bäume mit abstehender Borke böten ideale natürliche Quartierangebote, die erst nach und nach mit deren Entnahme wieder wegfielen und zu einer Rückkehr in das angestammte Quartiergebäude in Elmshausen führen könnten. Über Letzteres müssten im zeitlichen Abstand weitere Datenerhebungen Aufschluss erweisen. Damit wird von den Bearbeitern des Monitorings ein spekulatives und optimistisches Fazit zugleich gezogen. Ebenso gut denkbar allerdings ist dementgegen auch ein pessimistisches Alternativszenario.

Für den Nationalpark Bayerischer Wald etwa ist anhand von Untersuchungen zwar nachgewiesen, dass durch Borkenkäferbefall abgestorbener Nadelbestand ideale Habitate für die Mopsfledermaus bietet, sich durch abplatzende Rinde insbesondere an toten Fichten sogenannte Rindentaschen bilden, die von der Art als Wochenstuben genutzt werden. (Siehe: Animal Conservation 21/2018.) Doch scheint die einfache Übertragung solcher Befunde fraglich, zumal in den Wald- und Jagdarealen im Bereich des Wollenbergs der Stehendbefall bereits 2020/21 weitgehend entfernt und abgefahren wurde, obendrein die natürlichen und forstwirtschaftlichen Gegebenheiten vor Ort nicht mit den Bedingungen des bayerischen Nationalparks vergleichbar sind.

Zudem lässt auch der zeitliche Verlauf der Borkenkäferkalamität bislang keine Korrelation zur Abnahme der Populationsgröße in Elmshausen erkennen. Nach Angaben des Umweltministeriums lag die Hochphase der Schädlingsplage in Hessen in den Jahren 2018, 2019 und 2020, wurde diese ab dem Jahr 2021 spürbar eingedämmt und fiel der erneute Stehendbefall in 2022 sowie 2023 eher gering bis allenfalls verhalten aus. (Siehe: Waldzustandsbericht 2021, S. 23; Waldzustandsbericht 2022, S. 24; und Waldzustandsbericht 2023, S. 25.) Demnach bestand ein Bedingungsgefüge, das in der Chronologie nicht so recht mit dem Teilauszug der Art aus dem Gutshofgebäude in Einklang zu bringen ist.

Schließlich sei auch auf den Zustand der Bechsteinfledermaus innerhalb des FFH-Gebiets „Lahnhänge zwischen Biedenkopf und Marburg“ verwiesen. Deren Koloniegrößen nahmen zuletzt ab. Zu verzeichnen waren Rückgänge, die mit einer Verlagerung der Jagdgebiete vom Wald ins Offenland einhergingen. (Siehe: Bechsteinfledermaus: Koloniegrößen im Wollenberg sind rückläufig.) Dass sich die Konditionen für die eine Waldfledermausart (Myotis bechsteinii) nachhaltig verschlechterten, während sich jene für die andere Waldfledermausart (Barbastella barbastellus) zeitgleich immens verbesserten, erscheint nicht nur in Hinsicht auf ähnliche Jagdhabitate stark erklärungsbedürftig.

Angesichts dessen muss die Populationsgröße der Mopsfledermaus vor Ort derzeit als ungewiss bezeichnet werden. Nach drei Jahren des Unterschreitens des Schwellenwerts von 33 Tieren in Folge erwiese sich eine intensive Überprüfung des Erhaltungszustands der Art als angebracht. Für die Beauftragung eines solchen Monitorings jedoch zeichnete die Obere Naturschutzbehörde verantwortlich. Diese – beim Regierungspräsidium Gießen angesiedelte Verwaltungseinheit – ist offiziell für die Sicherung und Betreuung der FFH-Gebiete in Mittelehessen zuständig. In Angelegenheiten des Schutzgebietes vor Ort hat sie sich freilich bislang noch nicht sonderlich hervorgetan.

Hinweis:
Im Rahmen der Grunddatenerhebung für das FFH-Gebiet 5017-305 aus dem Jahr 2009 wurde die Populationsgröße der Wochenstubenkolonie Elmshausen in vorangegangenen Ausflugszählungen mit etwa 46 adulten Weibchen ermittelt. Gleichzeitig wurde dort ein Schwellenwert von 33 Weibchen benannt, unter den die Koloniegröße nicht absinken darf und ab dem der Erhaltungszustand der Art intensiv zu überprüfen ist. Die Zahlen und Ergebnisse des hier vorgestellten sanierungsbegleitenden Monitorings am Gutshaus Elmshausen für die Jahre 2017–2023 sind folgenden Jahresberichten entnommen:

  • Simon & Widdig 2019: Wochenstubenquartier der Mopsfledermaus in Dautphetal-Elmshausen. Sommerliche Kontrollen nach der Sanierung der Ostfassade des Wohnhauses auf dem Rittergut in Elmshausen in den Jahren 2017 und 2018.
  • Simon & Widdig 2024: Wochenstubenquartier der Mopsfledermaus in Dautphetal-Elmshausen. Sommerliche Kontrollen nach der Sanierung der Westfassade des Wohnhauses auf dem Rittergut in Elmshausen. Zusammenstellung der Daten der Jahre 2019–2023.

Beide Berichte wurden nach dem Hessischen Umweltinformationsgesetz (HUIG) in Verbindung mit dem Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz (HDSIG) beantragt und von der Unteren Naturschutzbehörde zugestellt.

Bild oben:
Rittergut Elmshausen in Dautphetal
Quelle: bi-wollenberg.org, CC BY-SA 3.0