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BI „Rettet den Wollenberg“ geht juristisch gegen Stadtwerke Marburg vor

BI „Rettet den Wollenberg“ geht juristisch gegen Stadtwerke Marburg vor

Seit mehr als fünf Monaten verweigern die Stadtwerke Marburg der Bürgerinitiative „Rettet den Wollenberg“ e.V. den Zugang zu Umweltinformationen. Ende Januar hatten drei Mitglieder des Vorstands nach dem Hessischen Umweltinformationsgesetz (HUIG) beantragt, Einsicht in die im Jahr 2014 in Auftrag gegebenen fledermauskundlichen Nachuntersuchungen zur Errichtung eines Windparks Wollenberg zu nehmen. Mitte Februar wurde dieser Antrag von den Stadtwerke Marburg-Geschäftsführern Norbert Schüren und Rainer Kühne mit der Begründung zurückgewiesen, ein abschließendes Gutachten sei aus wirtschaftlichen Gründen nicht erstellt worden, folglich lägen keine zu übermittelnden abgeschlossenen Schriftstücke vor. Auf eine daraufhin eingeleitete Rüge wurde von Seiten der Stadtwerke sodann Anfang April mitgeteilt, dass sich der Antrag in der weiteren juristischen Prüfung befinde. Mitte Mai schließlich wurde das Auskunftsersuchen durch Übersendung einer CD-ROM beantwortet. Diese enthielt allerdings nicht die angeforderten Umweltinformationen aus dem Jahr 2014, sondern ausschließlich nicht angefragte Materialien aus dem Jahr 2013.

Da eine weitere schriftliche Stellungnahme ausblieb, geht der Vorstand der BI von vorsätzlichem Handeln aus und hat nun beschlossen, juristisch gegen die Stadtwerke Marburg GmbH vorzugehen. Rechtlich beruft sich die BI auf das überwiegende öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der Umweltinformationen sowie ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 21.02.2008 – 4 C 13. 07), nach dem auch vorläufigen Umweltdokumenten ein „informatorischer Eigenwert“ zuzuschreiben ist, der nicht davon abhängt, ob die Umweltinformationen als solche abgeschlossen wurden.

Ein öffentliches Interesse an der Bekanntgabe der Daten liegt unbestreitbar vor, zumal der Wollenberg bislang nicht als Vorranggebiet für Windenergie aus dem Entwurf zum Teilregionalplan Energie Mittelhessen gestrichen wurde und die Stadtwerke sich die weitere Projektentwicklung vorbehalten. Geschäftsführer Kühne wurde in der Oberhessischen Presse vom 22. Oktober 2014 mit den Worten zitiert: „Wir wollen jetzt dort nicht bauen. Aber die Rechtslage kann sich in wenigen Jahren ändern und die anderen ökologischen Bewertungen sehen gut aus. Zudem sieht der noch nicht verabschiedete Teilregionalplan Mittelhessen auch eine Erweiterung der Vorrangfläche auf dem Wollenberg vor. Vielleicht können wir dort in wenigen Jahren einen Windpark bauen.“

Bereits Ende November letzten Jahres hatte das für Immissionsschutz zuständige Dezernat im RP Gießen es abgelehnt, die Nachuntersuchungen der BI zu übermitteln. Gegenüber dem BI-Vorstand erklärte das Amt, die Untersuchungen seien der Behörde im Oktober 2014 lediglich vorgetragen worden, lägen ihr aber nicht vor. Die mit der Erarbeitung des Teilregionalplans Energie Mittelhessen befasste Obere Landesplanungsbehörde im RP Gießen teilte ferner Ende März 2015 mit, sie sei bei der Präsentation der Ergebnisse der Fledermausuntersuchungen zum Wollenberg im Oktober 2014 nicht anwesend gewesen. Kenntnis von den Untersuchungen habe die Planungsbehörde erst seit einigen Tagen. Nach Prüfung und Bewertung der Untersuchungsergebnisse werde entschieden, ob der Wollenberg weiterhin als Vorranggebiet Windenergie geführt werde. Eine Einsichtnahme in die Untersuchungen auf Basis des HUIG wurde von dem zuständigen Beamten mit den Worten abgelehnt: „Da mir die Untersuchungsmaterialien selbst nicht zur Verfügung stehen, kann ich diese auch nicht an Sie weitergeben.“

Diese kafkaesken Züge öffentlicher Stellen sollen nun mit den Mitteln des Rechts aufgebrochen werden. Dazu hat die BI „Rettet den Wollenberg“ Erlass auf einstweilige Anordnung gegen die Stadtwerke Marburg GmbH beim Verwaltungsgericht Gießen beantragt. Das städtische Unternehmen soll auf diesem Wege verpflichtet werden, Zugang zu den im Jahr 2014 eingeholten Nachuntersuchungen zu gewähren. Die Dringlichkeit der einstweiligen Anordnung ergibt sich aus dem Umstand, dass der Ausschuss für Energie, Umwelt, ländlichen Raum und Infrastruktur (EULI) der Regionalversammlung Mittelhessen bereits am 9. Juli 2015 über die endgültige Gebietskulisse der Vorranggebiete für Windenergie entscheidet und die Regionalversammlung Mittelhessen selbst am 23.07.2015 über die zweite Offenlegung des Teilregionalplans Energie Mittelhessen beschließt, mithin die BI in ihrem Recht beschränkt wäre, in der anschließenden Beteiligung der Öffentlichkeit eine substantiierte Stellungnahme abzugeben.

 

Bild oben:
Hainsimsen-Buchenwald im Wollenberg. Quelle: bi-wollenberg.org, CC BY-SA 3.0