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Kippt der Teilregionalplan Energie Mittelhessen?

Kippt der Teilregionalplan Energie Mittelhessen?

Mehrere Kommunen im Landkreis Marburg-Biedenkopf, darunter nach noch unbestätigten Berichten auch die Stadt Wetter (Hessen), haben angekündigt, mit Stichtag zum 18. Dezember 2018 gegen den Teilregionalplan Energie Mittelhessen (TRPEM) zu klagen. Der TRPEM war ein Jahr zuvor in Kraft getreten. Mit ihm hatte die Regionalversammlung Mittelhessen Vorranggebiete (VRG) für Windenergie verbindlich ausgewiesen und den Bereich Wollenberg als ursprünglich vorgesehenes VRG gestrichen.

Die Erfolgsaussichten der klagenden Kommunen sind durchaus gut, wenn nicht sehr gut. Der Grund dafür besteht in einem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 25. Januar 2018 (4 B 1535/17.N), dem ein vergleichbares Verfahren zugrunde lag. Zwar ging es in diesem formal um den Teilregionalplan Energie Nordhessen (TREN), doch machte das Gericht eine weitreichende Feststellung. An entscheidender Stelle heißt es in dem Beschluss:

„Der während der 2. Offenlage in der Zeit vom 16. März 2015 bis zum 15. Mai 2015 ausgelegte Planentwurf wurde vor der Beschlussfassung der Regionalversammlung am 7. Oktober 2016 dahingehend geändert, dass nicht mehr 188 Vorranggebiete für die Windenergienutzung mit einer Gesamtfläche von ca. 18.600 ha, sondern lediglich 169 Vorranggebieten auf einer Gesamtfläche 16.705 ha festgelegt werden. Diese Änderung der Vorranggebietsfestlegungen machte nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des Senats eine erneute Offenlage notwendig (vgl. auch OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 20. Januar 2015 – 1 KN 7/13 -, juris Rdnr 53; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19. Mai 2015 – 3 K 44/11 -, juris Rdnr. 69). Die Änderungen beziehen sich auf eine Festlegung mit Zielcharakter, der im Übrigen über § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB unmittelbare Außenwirkung zukommt. Unerheblich ist, aus welchem Grund der Planentwurf geändert wird. Auch wenn es sich insoweit lediglich um eine räumlich relativ geringfügige Änderung der Anzahl und Größe der Vorranggebiete gehandelt haben sollte, entbindet dies nicht von der Notwendigkeit ein erneutes Beteiligungsverfahren (Hendler in Cholewa/Dyong/von der Heide/Arenz, a.a.O., § 10 Rdnr. 46). Der geringfügige Umfang der Änderungen führt allenfalls dazu, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und deshalb von der Vereinfachungsmöglichkeit nach § 10 Abs. 3 Satz 4 ROG hätte Gebrauch gemacht werden können. Auch diese vereinfachte Beteiligung hat der Antragsgegner aber nicht durchgeführt.“ (Rdnr. 28)

Der VGH hat sich damit grundsätzlich bereits festgelegt, auch wenn er die Klage der Gemeinde Diemelstadt gegen den TRPEN noch nicht abschließend entschieden hat, weil eine Entscheidung im Eilverfahren beantragt war, aber keine Vollzugsfolgen durch ein konkretes Genehmigungsverfahren drohten. Der Beschluss ist zudem auf den TRPEM übertragbar. Für diesen hatte die Hessische Landesregierung eine Genehmigung mit dem Vorbehalt, das VRG „Braunfels-Philippstein“ im Lahn-Dill-Kreis aus Naturschutzgründen herauszunehmen, erteilt. Dieser Bedingung schloss sich die Regionalversammlung Mittelhessen im November 2017 an, ohne dass anschließend eine 3. Offenlegung erfolgte.

Es liegt also auch im Falle des Zustandekommens des TRPEM eine Abänderung vor, die unter Zugrundelegung des VGH-Beschlusses ein erneutes Beteiligungsverfahren erfordert hätte. Zudem sind die eingangs genannten Klagen der Kommunen als Normenkontrollverfahren nicht auf eine Aufhebung einzelner VRG beschränkt, sondern bewirken im Erfolgsfall eine Aufhebung des TRPEM insgesamt. Sollte letzteres geschehen, gelte für Mittelhessen – somit auch für den Bereich Wollenberg – erneut die allgemeine Privilegierung nach dem Baugesetzbuch. Das heißt: Für Vorhabenbetreiber besteht in diesem Fall ein Anspruch auf Genehmigung, wenn das Vorhaben den öffentlichen Belangen von Natur-, Landschaft- und Artenschutz nicht widerspricht.

Damit könnte alles wieder von Vorne beginnen. Besonders bitter ist zudem, dass der VGH für ein solches erneutes Beteiligungsverfahren eine verkürzte Auslegungsfrist von einem Monat und die Beschränkung auf die Einholung von Stellungnahmen von räumlich unmittelbar betroffenen Personen (Grundstückseigentümern) und Trägern öffentlicher Belange (Gemeinden und Fachbehörden) als ausreichend erachtete. Ein bis zwei Monate mehr Sorgfalt bei der beschließenden Regionalversammlung, und das Ganze wäre nicht passiert.

 

Bild oben:
Vom Orkantief „Friederike“ im Januar 2018 umgestürzter Hochsitz im Wollenberg
Quelle: bi-wollenberg.org,  CC BY-SA 3.0