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„Forstübliche Unterhaltungsmaßnahmen“ – Die Antwort des RP Gießen

„Forstübliche Unterhaltungsmaßnahmen“ – Die Antwort des RP Gießen

Vor zehn Tagen berichteten wir über die von Hessen-Forst durchgeführten Planierarbeiten und Baumfällungen entlang ausgewählter Waldwege im Wollenberg sowie die von uns aus diesem Grund an das Regierungspräsidium (RP) Gießen gerichteten Fragen. Inzwischen liegt eine Antwort der Aufsichtsbehörde vor. Diese erfolgte nach Abstimmung mit der Oberen Naturschutzbehörde (ONB), dem zuständigen Forstamt Burgwald des Landesbetriebs Hessen-Forst sowie den Stadtwerken Marburg als Antragsstellerin im Genehmigungsverfahren. Eine Inaugenscheinnahme vor Ort wurde, wie den Ausführungen mittelbar zu entnehmen ist, nicht vorgenommen.

Demnach handelte es sich bei den geschilderten Planierarbeiten „um herkömmliche und absolut forstübliche Wegeunterhaltungsmaßnahmen, die weder eine Verbreiterung des Wegekörpers noch einen sonstigen ‚Eingriffstatbestand‘ im Sinne des Naturschutzrechts darstellen.“ Unter Bezugnahme auf das zuständige Forstamt heißt es weiter: „ Natürlich wird bei solchen Instandsetzungen das seitlich auf den Banketten liegende Gesteinsmaterial mit dem Motorgrader über das Wegeprofil geschnitten, um letztendlich die Oberfläche des Weges zu stabilisieren und die Wasserführung wieder herzustellen.“

Auch die Bewertung der Fällarbeiten entlang eines der forstwirtschaftlichen Hauptwege im Wollenberg folgt den von Hessen-Forst vorgelegten Erklärungen. Zur Begründung wird dargebracht: „Die Entfernung einiger Bäume am Kurhessenweg diente der Erhaltung des Lichtraumprofils, d. h. Holzabfuhrfahrzeuge können den Weg jetzt wieder befahren, ohne sich Seitenspiegel oder andere Anbauteile abzureißen.“ Bezogen auf die von uns ebenfalls erwähnten Waldwiesen, die einer Mahd während der Vegetationsperiode unterzogen wurden, heißt es sodann:

Hierin „handelt es sich um ausgewiesene Wildäsungsflächen, die einmal pro Jahr gemäht werden müssen. Die Mahd von Waldwiesen dient deren Erhaltung und Pflege, anderenfalls vergrast und verbuscht eine Waldwiese, d.h. die Wiese wird durch die Mahd nicht etwa zerstört, sondern gepflegt und erhalten.  Die geschilderten Tätigkeiten stehen im Einklang mit der Selbstverpflichtung (Naturschutzleitlinie) des Landesbetriebes HESSEN-FORST und stellen lediglich Maßnahmen im Zuge der regulären Waldbewirtschaftung dar. Eine Genehmigungspflicht für eine solche Mahd besteht nicht.“

Die Stadtwerke Marburg, so heißt es ferner, haben auf Nachfrage hin erklärt, „dass von dort keinerlei Veranlassungen getroffen worden oder gar Beauftragungen zu vorbereitenden Tätigkeiten ergangen sind.“ Von Seiten der im RP Gießen angesiedelten ONB sei zudem „ausdrücklich geprüft“ worden, „ob aus der Instandsetzung der vorhandenen Wege eine unzulässige Beanspruchung von FFH-Lebensraumtypen zu besorgen ist. Aufgrund der zeitlichen und räumlichen Geringfügigkeit der Eingriffe ist dies nicht der Fall.“ Die an die Aufsichtsbehörde gerichteten Fragen seien daher wie folgt zu beantworten:

  1. Hat dem RP Gießen ein Antrag auf Genehmigung der genannten Arbeiten vorgelegen und wurde dieser gewährt?

„Aus den o.g. Schilderungen folgt, dass diese forstwirtschaftlichen Maßnahmen keiner naturschutz- oder forstrechtlichen Genehmigung meines Hauses bedürfen; folglich liegt hier auch weder ein Antrag, noch eine diesbezügliche Entscheidung vor.“

  1. Hält das RP Gießen die genannten Arbeiten für genehmigungsfrei? Wenn ja, wie verträgt sich das mit dem Schutzgegenstand des FFH-Gebiets?

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  1. Können negative Auswirkungen auf die laufenden Nachuntersuchungen zu den Fledermauspopulationen durch die genannten Arbeiten ausgeschlossen werden? Wenn ja, wie begründet Ihr Haus das?

„Negative Auswirkungen der genannten Arbeiten auf die laufenden Nachuntersuchung zu den Fledermauspopulationen können ausgeschlossen werden, da nur wenige und dann sehr dünne Bäume gefällt wurden. Solche Bäume stellen mit Sicherheit kein Quartierpotential für Fledermäuse dar. Aufgrund der Tatsache, dass die Eingriffe nur sehr kurzzeitig und auch nur kleinflächig stattfanden, ist auch keine Gefahr für die Fledermauspopulation zu besorgen. Selbst wenn einzelne Tiere entlang von Waldwegen jagen sollten, ist die Aufweitung bzw. Baumentnahme keine Störung für die Fledermäuse, da diese dort noch genau so jagen können, wie zuvor auch. Aus den gleichen Gründen können die Maßnahmen auch keine Auswirkungen auf die laufenden Nachuntersuchungen der Fledermäuse gehabt haben.“

An den Ausführungen der Aufsichtsbehörde überrascht, dass die Darlegungen von Hessen-Forst umstandslos und ohne eigene Inaugenscheinnahme vor Ort übernommen wurden. Der Kurhessenweg beispielsweise ist der breiteste und bestausgebaute Waldweg im Wollenberg. Er war auch vor den durchgeführten Arbeiten für schwere Holzabfuhrfahrzeuge problemlos und ohne Beschädigung von Seitenspiegeln oder Anbauteilen befahrbar. Dennoch wurden Bäume, die sich 3–5 m seitlich des Weges befanden, wie der nachstehenden Fotografie zu entnehmen ist, gefällt. Ähnliches gilt in Bezug auf die Planierarbeiten an den Waldwegen, die im Übrigen nach unserer Eingabe an das RP Gießen fortgesetzt wurden. Die Veränderung des Wegequerschnitts und eine erhebliche Beeinträchtigung der Waldinnensäume werden erst durch Inaugenscheinnahme vor Ort deutlich.

Bild: Kurhessenweg nach Fällarbeiten entlang der Bankette. Quelle: bi-wollenberg.org, CC BY-SA 3.0

Zugleich bleibt der auf den Erlass zum forstlichen Wegebau und Naturschutz (pdf) des Hessischen Umweltministeriums aus dem Jahr 2012 bezogene Einwand, nach dem die kritisierten Maßnahmen von Hessen-Forst genehmigungspflichtig gewesen wären, unbeantwortet. Ebenso nicht berücksichtigt verbleibt der von Mitgliedern des Nabu-Lahntals zugegangene Hinweis, die erwähnten Waldwiesen seien im laufenden Jahr nicht erstmals gemäht worden, sondern bereits während der Brut- und Vegetationsperiode im Frühjahr.

Um sich naturschutzfachlicher Expertise zu vergewissern, hat sich die BI „Rettet den Wollenberg“ Rat bei einem regional wie überregional ausgewiesenen Biologen und Fledermausexperten eingeholt. Dieser bestätigte, dass die von Hessen-Forst durchgeführten Arbeiten aus naturschutzfachlicher Sicht während der Vegetationsperiode nicht vertretbar seien. Zudem verwies er aber auch darauf, dass der Nachweis eines Verstoßes gegen das FFH-Erhaltungsziel, für die Mopsfledermaus strukturreiche Waldränder und Waldinnensäume im Wollenberg zu bewahren, nur schwer zu führen sei. Etwas anderes würde gelten, wären Bäume der dort geschützten FFH-Lebensraumtypen gefällt worden.

Insofern bleibt abschließend zu konstatieren, dass Hessen-Forst relativ frei im FFH-Gebiet Wollenberg agiert und agieren kann, eine proaktive Aufsicht über die Tätigkeiten des Landesbetriebs demnach wünschenswert ist und wäre.

 

Hinweis: Die Antwort des RP Gießen ging am 17.07.2014 und somit zeitnah ein.

 

Bild oben: Im Wollenberg geparkter Motorgrader [Aufnahmedatum: 18.07.2014]. Quelle: bi-wollenberg.org, CC BY-SA 3.0