Unterschreiben
News

Schotterstraßen im Wald: Die Verantwortung von Hessen-Forst

Schotterstraßen im Wald: Die Verantwortung von Hessen-Forst

Unter dem Titel „Im Wald gibt die Holzindustrie den Ton an“ berichtet die Oberhessische Presse über eine nachmittägliche Diskussionsveranstaltung, zu der das Forstamt Burgwald des Landesbetriebs Hessen-Forst am 23. Juli in die Lessinghütte im Wollenberg eingeladen hatte. Vor ausgewähltem Publikum und an einem Werktag diskutierten dort Eberhard Leicht, Leiter des Forstamts Burgwald, Gerd-Jürgen Daubert, stellvertretender Vorsitzender des Vereins Region Burgwald – Ederbergland, und Christoph Paul, Werksleiter Einkauf Rundholz der Egger Sägewerk Brilon GmbH. Letztere ist eine Tochterfirma der Egger Gruppe, eines der führenden europäischen Unternehmen der Holzindustrie mit einem Jahresumsatz von zuletzt 2,26 Mrd. EUR, und Großkunde des Forstamts Burgwald.

Das Thema der Veranstaltung galt der zunehmenden Schotterung von Waldwegen durch Hessen-Forst und daraus resultierenden Nutzungskonflikten zwischen Forst- und Holzwirtschaft auf der einen sowie Freizeit- und Erholungssuchenden auf der anderen Seite. Das besondere Ärgernis dabei: Seit jüngerer Zeit kommt grober Schotter mit einer Korngröße zwischen 32 und 63 mm, stellenweise aufgetragen in einer Stärke von 10 bis 20 cm zum Einsatz. Und tatsächlich macht das, was der Landesbetrieb unter Pflege von Wegen subsumiert, diese für Wanderer, Läufer, Radfahrer und Reiter in der Praxis unpassierbar. Doch trügt die in der Überschrift des Presseartikels wiedergegebene Schuldzuschreibung: Nicht die Holzindustrie trägt die Verantwortung für Schotterstraßen im Wald, sondern Hessen-Forst selbst.

Harvester
Bild: Parkender Harvester im Wollenberg. Quelle: bi-wollenberg.org, CC BY-SA 3.0

Ausmaße und Gewicht der Holztransporter haben sich in den letzten 20 Jahren denn auch nicht geändert. Nach wie vor sind zur Holzabfuhr Lastzüge mit einem Gesamtgewicht von 40 t zulässig. Ebenfalls unverändert geblieben ist die Länge und Breite der Rundholztransporter. Beobachtungen im Wollenberg legen vielmehr nahe, dass erhebliche Wegeschäden nicht durch die Abfuhr des Holzes verursacht werden, sondern durch den Einsatz von schweren Maschinen bei der Holzernte selbst entstehen. Zu nennen sind: Vollernter (Harvester), die die Bäume fixieren, fällen und entasten. Sie wiegen ohne Sägeaggregat bis zu 35 t. Ebenfalls und in besonderem Maße verantwortlich: Tragschlepper (Forwarder), die das geerntete Holz aus dem Bestand an den LKW-befahrbaren Waldweg vorliefern. Sie besitzen ein Eigengewicht von bis zu 24 t und erlauben eine zusätzliche Traglast von 15 bis 20 t.

Forwarder
Bild: Parkender Forwarder im Wollenberg. Quelle: bi-wollenberg.org, CC BY-SA 3.0

Das hohe Eigengewicht und die Punktbelastung der Räderfahrzeuge führen nicht nur zu erheblichen Bodenschäden, die von der Gleisbildung (tiefe Spurrinnen im Fahrweg) insbesondere auf Rücke- und Maschinenwegen bis zum Grundbruch des Bodens reichen. Auch Abfuhrwege werden teils stark geschädigt, zumal dann, wenn bei nasser Witterung und mit Gleitschutzketten gearbeitet wird. Letztere kommen insbesondere bei Tragschleppern zum Einsatz. Diese sind in Hinsicht auf den Bodenschutz als besonders kritisch zu sehen, weil sie ein deutlich höheres Gesamtgewicht als Harvester besitzen. Zwar können mittels eines über die Bogieachse zweier Räder geführten und mit Spikes bestückten Stahlgliederbandes Aufstandsfläche und Traktion der Maschinen im Gelände vergrößert bzw. erhöht werden, doch verursacht die Kettenbereifung auf Abfuhrwegen bei Ausführung von Lenk- und Rangierbewegungen zugleich erhebliche Folgeschäden.

Grader
Bild: Parkender Grader im Wollenberg. Quelle: bi-wollenberg.org, CC BY-SA 3.0

Die so entstehenden Schäden an den Forst- und Waldwegen müssen anschließend mit entsprechendem Gerät und Aufwand wieder beseitigt werden. Dazu werden die Wege verbreitert, begradigt, mit ortsfremden Material aufgeschottert und verfestigt. Zur Instandsetzung erforderlich sind aufwendige Planierarbeiten mittels Grader oder Traktor und Planierschild. Zugleich wird dieses Verfahren – wie nachstehend am Beispiel des Kyrillwegs im Wollenberg dokumentiert – auch auf Wege angewandt, die nicht durch Holzernte traktiert wurden, sondern lediglich der regulären Instandhaltung durch periodische Erneuerung – der sogenannten Pflege forstwirtschaftlicher Wege auf vorhandener Trasse – unterliegen. Auch für sie gilt, Einbringung von grobkörnigem Material sowie Profilierung und Verdichtung mittels Schotterfräse sind Ultima Ratio. Statt wie früher feinkörniger Splitt (Korngrößen von 2 bis 32 mm) kommt heute im Wald grobkörniges Schottermaterial aus dem Verkehrswegebau zum Einsatz.

Kyrillweg
Bild: Kyrillweg im Wollenberg nach dem Einbringen von Schottermaterial und Planierarbeiten im Juli 2014. Quelle: bi-wollenberg.org, CC BY-SA 3.0

Hessen-Forst allerdings ist nicht Eigentümer des Staatswaldes. Vielmehr verpflichtet § 27 Abs. 2 Nr. 1 des Hessischen Waldgesetzes den Landesbetrieb zur Bewirtschaftung des Waldes „nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen unter Wahrung der besonderen Gemeinwohlverpflichtung“. Schotterstraßen im Wald aber sind weder mit dem Gemeinwohl noch mit der von Hessen-Forst selbst gepriesenen naturnahen Forstwirtschaft vereinbar. Der laut Oberhessischer Presse von Forstamtsleiter Leicht unterbreitete Vorschlag, künftig sollten Eingriffe auf Wander- und Freizeitwegen im Wald bekannt gegeben und entsprechende Umleitungsempfehlungen im Internet veröffentlicht werden, bietet denn auch keine Lösung für das Problem. Statt dessen ist zweierlei erforderlich:

Zwischengelagertes Rundholz
Bild: Zwischengelagertes Rundholz im Wollenberg (Juli 2014). Quelle: bi-wollenberg.org, CC BY-SA 3.0

Erstens sind Anforderungen des boden- und wegeschonenden Maschineneinsatzes zu definieren. Diese sollten gleichermaßen für Revierleiter, landeseigene Maschinen und forstliche Lohnunternehmer gelten. Zudem sind Forstarbeiten bei zu großer Bodenfeuchte oder fehlendem Frost zu unterbrechen und Ausschreibungsunterlagen für die Vergabe von Forstbetriebsarbeiten mit entsprechenden Bedingungen zu versehen. Ziel muss eine boden- und wegeschonende Holzernte sein, in deren Folge auf das Planieren, Schottern und Verdichten von Waldwegen verzichtet werden kann.

Zweitens bedarf es einer aktiven Beaufsichtigung des Landesbetriebs Hessen-Forst. Obere Forst- und Obere Naturschutzbehörde kontrollieren die Tätigkeiten von Hessen-Forst, wie auf diesen Seiten bereits im Sommer letzten Jahres berichtet, lediglich formal. Wie viele Kilometer der Landesbetrieb im FFH-Gebiet „Lahnhänge zwischen Biedenkopf und Marburg“ (DE5017305), dem der Wollenberg zugehörig ist, bereits geschottert hat, weiß in den genannten Einrichtungen niemand. Schotterstraßen im Wald werden dort als forstübliche Unterhaltungsmaßnahmen bewertet, entsprechende Konflikte mit dem FFH-Schutzstatut: Erhalt strukturreicher Waldinnensäume für die Mopsfledermaus, nicht erkannt. Prädestiniert für eine aktive Aufsichtsfunktion wäre ein aus dem Landesbetrieb Hessen-Forst ausgegliedertes und in eine unabhängige Behörde überführtes Servicezentrum für Forsteinrichtung und Naturschutz (FENA).

 

Weitere Links:
Wer sich einen Eindruck darüber verschaffen will, wie der Kyrillweg vor der Schotterung im Juli 2014 aussah, kann das hier auf Basis einer Fotografie vom 3. August 2012 tun.

Im Falle des Burgwalds finden sich einige der durch die moderne Forstwirtschaft verursachten Schäden auf der Website der Arbeitsgemeinschaft „Rettet den Burgwald“ dokumentiert.

Einen kursorischen Überblick, welche Schäden beim Einsatz moderner Forstmaschinen bei der Holzernte entstehen und welche Abhilfemaßnahmen getroffen werden können, bietet die Veröffentlichung „Bodenschutz und Holzernte“ des Freistaats Thüringen.

Bild oben:
Parkender Traktor mit Bankettfräse (vorn) und Dreifachrüttelplatte (hinten) im Wollenberg. Quelle: bi-wollenberg.org, CC BY-SA 3.0