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Naturschutzverbände stellen Kernflächen im Wollenberg zur Disposition

Naturschutzverbände stellen Kernflächen im Wollenberg zur Disposition

Die Hessische Landesregierung plant, im Rahmen der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt acht Prozent der Staatswaldflächen aus der wirtschaftlichen Nutzung herauszunehmen. Im Bereich Wollenberg hat dazu das Forstamt Burgwald im April 2015 ein Konzept unterbreitet, das vorsieht, dort eine Erweiterung der Naturschutz-Kernflächen um 80 ha auf 84,5 ha (Kernflächenvorschlag Nr. 150) vorzunehmen. Nun wird dieses Konzept von den großen Naturschutzverbänden Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF), Nabu Hessen, BUND Hessen, Greenpeace und World Wildlife Fund (WWF) zur Disposition gestellt.

In einem gemeinsamen – bislang unveröffentlichten, uns vorliegenden – Vorschlag von Oktober 2015 fordern sie, allein großflächige Waldgebiete mit einer Mindestgröße von 300 ha zur Erweiterung der Naturschutzkernflächen heranzuziehen. Von den Verbänden ausgewählt wurden 14 Waldgebiete, davon zwei mit einer Größe von über 1.000 ha und sieben Gebiete mit Flächengrößen von mehr als 500 ha. Gemeinsam ist diesen Waldgebieten, dass sie über einen FFH-Status und über bedeutsame Altbuchenbestände verfügen. Kriterien demnach, die ebenso auf das FFH-Gebiet „Lahnhänge zwischen Biedenkopf und Marburg“ (5017-305) zutreffen, dem der Wollenberg zugehört. Doch bleibt dieses außen vor.

Würde der Vorschlag umgesetzt, fiele nicht nur der Kernflächenvorschlag Wollenberg weg, sondern zahlreiche andere, ebenfalls von Hessen-Forst als Schutzflächen vorgeschlagene Areale auch. Aus diesem Grund hat sich die BI „Rettet den Wollenberg“ in einem Schreiben an die Hessische Umweltministerin Priska Hinz sowie weitere Träger des behördlichen Naturschutzes mit der Bitte gewandt, dem Vorschlag der Großverbände in der vorliegenden Form nicht zu folgen. Wir kritisieren den Verbändevorschlag aus zwei Gründen.

Erstens: Die Auswahl der Waldgebiete ist willkürlich. Nichts spräche beispielsweise dagegen, Teile des FFH-Gebietes 5017-305 selbst als großflächiges Schutzgebiet auszuweisen. Dieses zählt zu den bedeutendsten großen FFH-Buchenwäldern in Hessen. Mit einer Gesamtfläche von 9.457,4 ha, davon Hainsimsem-Buchenwaldbestände (LRT 9110) in einer Größe von 2.117 ha, den für die Meldung des Gebietes ausschlaggebenden FFH-Anhang-II-Arten Mopsfledermaus, Bechsteinfledermaus und Großes Mausohr sowie Vorkommen von sechs weiteren Fledermausarten, zwei Amphibienarten (Geburtshelferkröte und Kreuzkröte) und einer Reptilienart (Zauneidechse) des Anhangs IV wäre es kaum weniger prädestiniert als jene nach dem Verbändekonzept vorgeschlagenen Waldgebiete.

Zweitens: Das Verbändekonzept ist nicht zu Ende gedacht. Die Ausweisung von allein großflächigen Waldgebieten führte – unter sonst gleich bleibenden Umständen – dazu, dass der Nutzungsdruck überall andernorts anstiege. Das heißt, der Erhalt von biologischer Vielfalt wäre im Wesentlichen auf wenige große Waldareale in Hessen beschränkt, alle anderen Waldgebiete würden zurückgelassen und verschlechterten sich bei anhaltender forstwirtschaftlicher Nutzung im weiteren Zeitenverlauf. Das kann und sollte nicht der Sinn und Zweck einer Strategie zur Verbesserung der Biodiversität sein.

kernflächen
Karte: Erweiterungskonzept von Hessen-Forst im Bereich Wollenberg (Dunkelgrün: bereits bestehende Kernflächen/Rot: zusätzlicher Kernflächenvorschlag Nr. 150). © OpenStreetMap-Mitwirkende (CC BY-SA 2.0), Daten von OpenStreetMap – Veröffentlicht unter ODbL.

Bereits jetzt unterliegt der Wollenberg ganzjähriger intensiver Forstbewirtschaftung. Daher sind das zugrunde liegende Konzept des Forstamts Burgwald und der Kernflächenvorschlag Nr. 150 grundsätzlich richtig. Ausweislich der Grunddatenerhebung zum FFH-Gebiet 5017-305 umfasst das vorgeschlagene Areal überwiegend Laubwald > 160 Jahre sowie bedeutsame Jagdgebiete der Mopsfledermaus. Mit der Herausnahme von (vorwiegend) Buchen-Altbeständen aus der forstwirtschaftlichen Nutzung würden zudem wichtige Habitate und Trittsteine für Vogelarten, wie Schwarzspecht, Hohltaube, verschiedene Eulenarten (Waldkauz, Sperlingskauz), weitere Fledermausarten des Anhangs-IV sowie zahlreiche Insekten- und Pilzarten geschaffen.

Zudem wäre es wünschenswert, würde ein größeres Areal und mehr Flächen des vor Ort geschützten Hainsimsen-Buchenwalds (LRT 9110) aus der Nutzung genommen. In Entsprechung zur Empfehlung aus der FFH-Verträglichkeitsprüfung im Rahmen des Neubaus der B252 regen wir des Weiteren an, die Areale der drei im Wollenberg nachgewiesenen Kolonien der Bechsteinfledermaus unter Prozessschutz zu stellen. Letztere liegen alle außerhalb des Kernflächenvorschlags Nr. 150.

 

Bild oben:
Parkender Traktor mit Raddefekt im Wollenberg. Quelle: bi-wollenberg.org, CC BY-SA 3.0