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FFH-Managementmaßnahmen: Der Bock als Gärtner?

FFH-Managementmaßnahmen: Der Bock als Gärtner?

Noch ist die Überschrift mit einem Fragezeichen versehen. Doch zeichnet sich ab, dass die Obere Naturschutzbehörde (ONB) beim Regierungspräsidium (RP) Gießen ihrer Verantwortung zur Erstellung von Managementplänen für das FFH-Gebiet „Lahnhänge zwischen Biedenkopf und Marburg“ (DE 5017-305) nicht gerecht wird. Der Hintergrund ist: Obgleich die Erstellung der Pläne offiziell der ONB obliegt, hat sie dazu einen Dritten beauftragt. Dieser Dritte jedoch ist nicht ein unabhängiges Ökologiebüro oder eine anderweitig als neutral ausgewiesene arten- und naturschutzfachliche Vereinigung, sondern Hessen-Forst selbst.

Entsprechend fällt der vom Landesbetrieb nach 08/15-Muster vorgeschlagene Managementplan (MMP) aus: Er besteht aus generellen Verlautbarungen, enthält keinerlei Zahlen zum Holzeinschlag oder zur industriellen Praxis der Bewirtschaftung selbst, noch werden Entwicklungsmaßnahmen für die vor Ort geschützten Wald-Lebensraumtypen bzw. Erhaltungsmaßnahmen für die dort bestehenden Quartierzentren der Anhang-II-Fledermausarten ausgewiesen. Über die Schädigungen des Gebiets schließlich, wie sie die BI „Rettet den Wollenberg“ der ONB in einer 49seitigen Stellungnahme berichtete, wird vollständig geschwiegen.

Hinzu kommt: Der von Hessen-Forst vorgeschlagene Managementplan wurde nur wenige Tage nach einem Informationsgespräch am 1. Juni 2016 in Marburg erstellt, zu diesem selbst aber nicht vorgelegt. Diese Informationsveranstaltung, an der auf Publikumsseite neben einer Vertreterin eines Landschaftsplanungsbüros ausschließlich BI-Mitglieder teilnahmen, diente zur Unterrichtung über und Vorbereitung in der Erstellung des Managementplans für den Südteil des FFH-Gebiets „Lahnhänge zwischen Biedenkopf und Marburg“.

Noch hat die ONB Zeit und Gelegenheit, ihr Handeln neu auszurichten. Denn Managementpläne sollen Aufschluss darüber geben, wie die Erhaltungsziele zum Schutz von Lebensraumtypen und Arten in einem der Europäischen Kommission gemeldeten FFH-Gebiet vor Ort konkret umgesetzt werden. Sie sind europarechtlich vorgeschrieben und in Hessen seit vielen Jahren überfristig. Entsprechend hat sich die BI „Rettet den Wollenberg“ mit sechs Fragen an die Oberste Naturschutzbehörde beim Hessischen Umweltministerium gerichtet, die wir im Folgenden dokumentieren:

Erstens: Was ist die wissenschaftliche Grundlage für die auf die Arten Großes Mausohr, Bechsteinfledermaus und Mopsfledermaus bezogene Aussage im MMP (S. 17), „derzeit sind keine Beeinträchtigungen gegeben“? Datengrundlage für die Grunddatenerhebung (GDE) bildeten die in den Jahren 2003/2004 sowie 2007 durchgeführten fledermauskundlichen Untersuchungen. Der Rückschluss, die Situation damals gelte zugleich auch heute, ist nicht nachvollziehbar.

Zweitens: Warum werden bezogen auf Wiederherstellung, Entwicklung und Gewährleistung eines günstigen Erhaltungszustands von LRT und Arten im MMP keine quantitativen und qualitativen Angaben zur Höhe des Holzeinschlags für die Wald-LRT und Wald-Nicht-LRT ausgewiesen? Dieser bildet das ökonomische Kerngeschäft in der Waldbewirtschaftung. Die Aussage, eine Bewirtschaftung nach den Grundsätzen des naturgemäßen Waldbaus habe in der Vergangenheit zu einem guten Zustand der LRT und zu ordentlichen Strukturen der Arten geführt und würde das auch in Zukunft tun (S. 23), ist nicht nachvollziehbar. Ihr fehlt es am erforderlichen Kriterium der Gewissheit des anzuwendenden Vorsorgegrundsatzes (EuGH, C-127/02, Rz. 58 u. 61) und sie ist dergestalt, dass der Bewirtschaftungspraxis eine europarechtlich nicht zulässige abstrakt-generelle Freistellung von jeglicher FFH-Verträglichkeitsprüfung gewährt wird (EuGH, C-241/08, Rz. 30, 39, 53ff.).

Drittens: Aus welchen sachlichen Gründen sieht der MMP keinerlei Entwicklungsmaßnahmen vor, um für Flächen von LRT 9110 (Hainsimsen-Buchenwald) und LRT 9130 (Waldmeister-Buchenwald) mit ungünstigem Erhaltungszustand (Wertstufe C) eine Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands (Wertstufe B) zu bewirken?

Viertens: Warum sind im MMP für die Quartierzentren der Bechsteinfledermaus keine Erhaltungsmaßnahmen vorgesehen, um einem – wie im Rahmen der GDE für den Bereich Wollenberg („Kolonie Schwedenschanze“) konstatiert – durch forstwirtschaftliche Nutzung nicht auszuschließenden Verlust von Quartierbäumen und potenziellen Jagdhabitaten in der unmittelbaren Umgebung entgegenzutreten? Warum findet zudem das im Zuge der FFH-Verträglichkeitsprüfung (2010) zum Neubau der B 252/62 nachgewiesene zweite Quartierzentrum im Bereich Wollenberg („Kolonie Teichtannen“) weder Erwähnung noch mit dem aus der FFH-VP resultierenden Beschränkungsmaßnahmen (Prozessschutz/Nutzungsbeschränkung mit dinglicher Sicherung für das Quartierzentrum) Berücksichtigung?

Fünftens: Warum sollen im Rahmen des MMP (S. 40 u. 42) ausschließlich Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit (Beschilderung, Sichtbarmachung) für das Naturschutzgebiet „Lahnknie bei Michelbach“ erfolgen, nicht aber für das FFH-Gebiet selbst und/oder die dort geschützten LRT und Fledermausarten des Anhangs II?

Sechstens: Aus welchen Gründen enthält der MMP keinerlei Aussagen:

      1. zu Bodenschäden und -kontaminationen in Wald-LRT infolge von Maschinenbefahrung und industrieller Forstbewirtschaftung;
      2. zu Beeinträchtigungen des Erhaltungsziels: Erhalt strukturreicher Waldinnensäume für die Mopsfledermaus, durch Maßnahmen des forstlichen Wegebaus;
      3. zu Entwässerung und vermehrtem Oberflachenabfluss über Maschinenwege und Rückegassen;
      4. zu Douglasien-Verjüngungen in Wald-LRT, die vom BfN als potenziell erhebliche Beeinträchtigung und FFH-verträglichkeitspflichtig bewertet werden.