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Neue Diskussionen um Windkraft im Wollenberg

Neue Diskussionen um Windkraft im Wollenberg

Ein am Dienstag in der Oberhessischen Presse erschienener Artikel mit dem Titel „Spanka: Windkraft am Wollenberg war gewollt“ (Printausgabe, 23.06.2020) hat zu zahlreichen Nachfragen geführt. Daher nachfolgend einige Erläuterungen:

Zunächst: Wetters Bürgermeister Kai-Uwe Spanka hat Recht, soweit er feststellt, ein Windpark im Wollenberg sei im Oktober 2014 nicht in Ermangelung von Windhöffigkeit gescheitert, sondern am Artenschutz. Doch wurde vor Ort auch nie gemessen, wie er in Erwiderung auf die BI Windkraft Wetter insinuiert, die ersteres wiederum angedeutet hatte. Vielmehr beruhten die damals errechneten Windgeschwindigkeiten allein auf Basis modellhafter Annahmen.

Auch waren Bürgermeister Spanka seinerzeit die dort vorkommenden besonders geschützten Fledermausarten ziemlich egal. Seine kuriose Aussage in Beantwortung einer Großen Anfrage gegenüber dem Parlament im Mai 2013, Mops- und Bechsteinfledermaus könnten vor dem Hintergrund der FFH-Richtlinie ihre artenschutztechnische Relevanz auch verlieren, war mit ein Grund, dass die BI „Rettet den Wollenberg“ später ein offizielles EU-Beschwerdeverfahren wegen Verstoßes gegen europäisches Recht anstrengte, in dessen Folge das Vorhaben dann aufgegeben werden musste.

Wenn Spanka nun den Wollenberg erneut als Standort für Windkraft mit den Worten preist: „Unter heutigen Bedingungen insbesondere wegen einer fortgeschrittenen Technik, einer veränderten Gesetzgebung und mehr Wissen in der Ökologie sei der Standort immer noch sehr interessant“, sollte er wissen, dass sich an den europäischen Rechtsgrundlagen für das FFH-Gebiet „Lahnhänge zwischen Biedenkopf und Marburg“, dem die im Wollenberg geschützten Fledermausarten unterliegen, nichts geändert hat. Ohnehin, das ist dem Bürgermeister bekannt, könnten Änderungen erst nach Ablauf der vorgesehenen acht Jahre Gültigkeit des Teilregionalplans Energie Mittelhessen erfolgen, den unter anderem die Stadt Wetter gegenwärtig mit wahrscheinlich geringer Aussicht auf Erfolg beklagt – sprich: nach dem 18. Dezember 2025.

Ob sich bis dato die Gesetzgebung auf Bundesebene oder auf Basis eines Erlasses auf Landesebene derart abändern lassen, sodass ein Unterlaufen der europarechtlichen Vorgaben erleichtert wird, muss sich erweisen. Die vermeintlich fortgeschrittene Technik, sie ist vor allem eine in die Höhe, kann sich dann aber auch als Bumerang erweisen. Das zeigt ein Blick auf die im Rahmen der Windparkplanungen 2013 (igu 2013) angefertigte, von der Lokalpolitik in ihrer Entscheidungsfindung einst gänzlich unberücksichtigt gebliebene Prognose über den Schattenwurf von im Wollenberg aufzustellenden Windkraftanlagen (WKA). Damals betrug die Gesamthöhe der geplanten Anlagen etwa 200 Meter und war der entsprechende Schattenwurf zu Sonnenaufgang/Sonnenuntergang mit (idealiter) 1.423 Metern zu bemessen. Heute bereits werden WKA mit einer Gesamthöhe von 260 Metern aufgestellt, deren Schattenwurf 1.850 Meter weit reicht.

Abb.: Schattenwurfprognose für 6 WKA im Wollenberg mit einer Anlagenhöhe von jeweils 199,1 Meter aus dem Jahr 2013 (maßstabähnliche Nachbildung)
Kartengrundlage: © OpenStreetMap-Mitwirkende, CC BY-SA 2.0, Daten von OpenStreetMap – veröffentlicht unter ODbL – sowie igu 2013.

Erläuterung: Bei klarem Himmel wird durch die Rotoren von WKA ein bewegter Schattenwurf erzeugt, der zu optischen Immissionen führt und auch eine erhebliche Belästigung mit sich bringen kann. Die immissionsschutzrechtlichen Grenzen für Schattenwurf dürfen nach gegenwärtigem Stand 30 Stunden pro Jahr und 30 Minuten pro Tag nicht überschreiten. Nach den Planungen von 2013 wurden diese Grenzen in den bewohnten Gebieten rund um den Wollenberg nicht erreicht. Dennoch wären weite Gebiete der Kernstadt von Wetter sowie in den Ortsteilen Oberndorf und Warzenbach, aber auch in Sterzhausen, Brungershausen und Kernbach sowie Dautphetal-Elmshausen von Schattenwurf in Höhe von 10 Stunden pro Jahr (teilweise auch mehr) betroffen gewesen, ohne dass die Anwohner darüber im Vorfeld informiert wurden.

Bild oben:
Doppelter Kollateralschaden durch zu viel Wind im Wollenberg infolge des Wintersturms 2020

Quelle: bi-wollenberg.org, CC BY-SA 3.0